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Rückblick auf den gut viermonatigen Segeltörn
Seit ein paar Tagen bin ich wieder in Bern, und
Hans fliegt an diesem Wochenende ebenfalls in die Schweiz
zurück, nachdem er die Yacht noch gewartet und
geputzt hat, wie sich das für ordentliche Crewmitglieder
gehört, die nicht überstürzt zurück
in den Schuldienst abberufen werden!
Vielleicht interessiert dich, etwas von meinen Erfahrungen
zu hören. Du kannst ja auch nur die Abschnitte
lesen, die dich interessieren.
Das Schiff - die Crew - die Route
Wir starteten am 3. Oktober 2000 in Denia (Spanien)
mit einer Ketsch "Amel Super Maramu" Baujahr
1990, 16m Länge, 2,10 m Tiefgang zu fünft
(Eigner-Ehepaar in Pensionsalter, ein Bekannter von
ihnen, der noch nie auf dem Meer segelte und wir zwei).
In kleinen Tagesetappen segelten wir uns die spanische
Küste hinunter ein, dann nach Gibraltar, Cadiz,
wo wir am 15. Okt. nach Madeira ausliefen. Mit recht
regelmässigem NE-Passat (zwischen 10 bis 18 Knoten)
erreichten wir am sechsten Tag Porto Santo, die kleine
Nachbarinsel von Madeira. Mit stärkerem N- bis
NE-Wind rauschten wir in 47 Stunden nach Lanzarote.
Und nun liessen wir uns auf den Kanaren fast einen Monat
Zeit (zum Teil freiwillig, zum Teil unfreiwillig wegen
Reparaturen und Abwarten von Ersatzteilen) um alle Inseln
zu besuchen. Vorallem die ausgedehnten Wanderungen auf
der nordwestlichsten Insel La Palma und dem kleinen
Gomera gefielen uns prima. Von einem sehr ruppigen "Hafen"
auf Hierro, liefen wir am 20. November nach Dakar (Senegal)
aus, mussten aber, als der Generator und der Motor nicht
mehr gestartet werden konnten, um die Batterien zu laden,
bei völliger Dunkelheit und Ausfall der elektronischen
Geräte am dritten Tag nach Gomera zurück um
die Motorenbatterie auszuwechseln. Diesmal klappte dann
der Start nach Afrika und mit bis zu 32 Knoten NE-Passat
rauschten wir mit guter Fahrt (zum Teil 8,5 Knoten)
in knapp 6 Tagen die über 800 Seemeilen (1500 km)
nach Dakar, wo wir um Mitternacht des 29. Novembers
in den riesigen Industriehafen einfuhren und längseits
eines rostigen Fischerbootes festmachten, auf dem wie
aus dem Nichts gegen zwanzig pechschwarze Männer
auftauchten. Etwas unheimlich! Anfangs Dezember lüfteten
wir die Segel wieder und es ging 300 Seemeilen westwärts
zu den 10 Inseln der Cap Verden. Bis anfangs Januar
besuchten wir fast alle der sehr unterschiedlichen aber
sehr beeindruckenden, imposanten, romantischen Inseln.
Da hätte ichs noch lange ausgehalten! Aber am 7.
Januar starteten wir (Wasser, Diesel und Proviant voll
gebunkert) über den Atlantik nach Brasilien. Unsere
Etmale (Tageswege) betrugen 109 bis 180 Seemeilen. Die
Kalmen in Aequatornähe dauerten nicht lange und
wir benutzten halt für ein paar Stunden den Motor.
Ueber den Aequator schwamm ich (das liess ich mir nicht
nehmen!) bei wenig Wind neben der Yacht, von oben mit
Sekt begossen! Nach knapp 9 Tagen hatten wir die 1240
sm zurückgelegt und im Morgengrauen, bei warmem
Wetter begrüsste uns der mächtige Pico der
brasilianischen Insel Fernando de Noronha (Naturschutzgebiet).
Weitere 260sm und 2 Tage trennten uns noch von dem brasilianischen
Festland. Der brasilianischen Küste entlang begleitete
uns ein meist angenehmer warmer Wind, zuerst aus Südost,
später aus Nordost, so dass wir mit wenig Motorenstunden
einige wunderbare Ankerplätze, Salvador (Bahia)
und wieder nach sehr einladenden Ankerplätzen schliesslich
am Freitagmorgen, den 9. Februar in der Morgendämmerung
zwischen vielen kleinen Inseln unser Ziel Rio de Janeiro
mit dem Zuckerhut im Dunst auftauchen sahen. Toll, mit
dem Segelschiff in Rio anzukommen!
Das Leben an Bord
Da ich gerne "zigeunere" und es toll finde,
wenn mein "Häuschen" mit Bett, kleiner
Küche und Büchern mit mir reist, ist eine
Segelyacht eigentlich ideal. Zudem liebe ich es auf
dem weiten Meer zu sein, nichts als Wasser und den unendlichen
Himmel um mich zu haben und nur die Geräusche der
Wellen, des Windes und der Segel zu hören. Das
erfüllt mich mit einem Gefühl der Freiheit
und zugleich des Eingebundenseins in die Natur und ihre
Elemente. Schade nur, dass zu meinem "Daheimsein-Gefühl"
meine geliebte Katze Siria fehlte! Die Bewegungen des
Schiffes, die Krängung (Schräglage), das Schwanken
oder Rollen oder Stampfen konnten aber etwa lästig
werden, vorallem wenn ich kochen wollte und eigentlich
beide Hände zum Salat rüsten und Zwiebelschneiden
brauchen sollte. Doch häufig musste ich mich mit
einer Hand festhalten und mit den Füssen und Beinen
kräftig stemmen, dass ich nicht fiel. Da wurde
dann Kochen zu Schwerarbeit, und ich fragte mich dann
etwa mal, wieso ich denn nicht gemütlich zu Hause
sass und in aller Bequemlichkeit kochte. Jeder hatte
wenig Raum und eigentlich wenig Privatsphäre. Ich
verzog mich, wenn nicht allzuviel Krängung oder
Schiffsbewegungen waren oft mit einem spannenden Buch
aufs Vorschiff, legte mich in die Gangway und las (manchmal
mit CD-Player und Kopfhörer) stundenlang. Alle
6 Stunden kam ich wieder für 2 Stunden auf die
Wache: steuern (Windsteueranlage war kapputt oder funktionierte
schlecht) und Ausguck halten wegen Frachtern und Fischerbooten,
sowie Position und Route kontrollieren. Abwechslung
und Zerstreuung gabs wenig und man konnte bei Spannungen
nicht flüchten! Der Wasserverbrauch war rigoros
eingeschränkt: wir brauchten um die 100 (!) Liter
in der Woche, zu fünft und mit regelmässigem
Kochen. Da hiess es sparen! Geduscht haben wir auf offener
See stets mit dem Eimer mit Meerwasser und speziellem
Salzwasserduschmittel. Das Geschirr wurde wenn möglich
mit Salzwasser gespült, das WC funktionierte sowieso
mit Salzwasserpumpe. Kleider und Bettwäsche waschen
war nur in einem Hafen möglich.
Die schönsten und intensivsten Erfahrungen
Ich freute mich meist auf die nächtlichen Wachen.
Während die andern schliefen, war ich ganz allein
im Cockpit, den wolkenlosen Himmel mit den unendlich
vielen Sternen, Jupiter und Saturn und der Milchstrasse
über mir, und oft suchte ich am Himmel die neu
dazugelernten Sternbilder. Jede Nacht begleiteten sie
mich wieder, wie vertraute, schweigsame Freunde. Welch
eine Freude, als dann vor dem Ueberqueren des Aequators
eines Nachts, als ich um 2 Uhr auf die Wache ging, das
Kreuz des Südens backbords vor mir stand. Eines
der schönsten Erlebnisse ist stets das Auftauchen
von Delphinen, die dann für eine gewisse Zeit das
Boot begleiten. Eines Tages umgab uns eine riesige Delphinschule,
es waren bestimmt einige Hundert Tiere, die sprangen
und spielten einige Zeit rings um unser Boot, als hätten
sie Spass daran, uns zu unterhalten. Sie kamen so nahe
an den Bug, dass ich sie hätte berühren können.
Am gleichen Tag sahen wir etwa 200m vom Schiff weg einen
Wal blasen. Er zeigte uns seine Flunke und verschwand
dann unter Wasser. Auf dem Meer träume ich meist
sehr intensiv. So hörte ich eines Nachts im Traum,
als das Meer recht wild war und viele grosse und kleine
Wellen gegen unsere Bugkabinenwand schlugen das Meeresorchester:
eine überwältigende Musik klang in meinen
Ohren von einem riesigen Orchester und ich spürte
und hörte wie perfekt und überwältigend
diese Symphonie war, beeindruckender und göttlicher
als alles, was ich je gehört hatte. Und ich wünschte,
dass diese Musik nicht aufhörte oder ich sie doch
mindestens behalten könnte! Ich genoss es, dass
wir eigentlich immer schönes Wetter hatten, ab
und zu abwechslungsreiche Bewölkung, aber kaum
mal Regen und schon gar keinen Sturm und ich vorallem
den letzten Monat ausschliesslich im Bikini verbringen
konnte. Wie ungewohnt waren da Schuhe und lange Hosen
wieder! An Land hatte ich besonders schöne Begegnungen
auf den capverdischen Inseln. Die Menschen (meistens
Mischlinge: Schwarze/Portugiesen) sind sehr arm aber
beglückend fröhlich, charmant und hilfsbereit.
In den Sammeltaxis bekam ich etwa mal ein süsses
kleines Mädchen mit vielen Schwänzchen auf
dem Kopf zum "goume", das mich dann anlächelte
und mit meinem Fingerring oder meiner Uhr spielte. Die
Kinder sind ebenso unkompliziert wie die Erwachsenen.
Häufig werden sie auf den Schoss von irgendeiner
Frau gesetzt. Sie schreien nie, auch nicht nach der
Mutter! Einmal sassen Hans und ich in einem einfachen
Restaurant beim Nachtessen. Am Nachbartisch war eine
"mehr-bessere" capverdische Familie mit zwei
Buben von etwa 5 und 7 Jahren. Als die Familie das Restaurant
verliess, blieb der ältere Knabe noch einen Moment
da, rannte dann zu mir, umarmte mich ganz fest und drückte
mir einen Kuss auf die Backe. Dann stürzte er zu
Hans und umarmte und küsste auch ihn. Darauf verschwand
er strahlend und stolz.
Die schwierigeren Situationen (und die Lehren daraus)
Da unser Schiff mit viel "Luxus" und Elektronik
ausgerüstet war, die zum Teil nicht besonders gewartet
worden waren, ging auch einiges kaputt was mit Umtrieben
(Warten auf Ersatzteile und zum Teil hohen Kosten )
verbunden war. So stieg der Generator aus und obschon
Hans und zwei Fachleute fast eine Woche unten im Maschinenraum
untersuchten, konnte der Defekt nicht gefunden werden.
Ferner gingen die Windsteuerung, der Alternator des
Motors, der Wetterfax, die elektrische Ankerwinsch und
natürlich Segel kaputt, neben anderem. Lehre daraus:
möglichst unabhängig von Motor und Generator
(also Strom) und mit möglichst wenig "Automatik"
und Raffinesse segeln. Am Schiff muss halt immer ein
bisschen "gebäschelet" werden, bevor
ein grösserer Schaden entsteht. Es ist klar, dass
eine längere Segelreise mit fünf (zum Teil
sehr verschiedenen) Menschen auf kleinem Raum nicht
ohne Spannungen und Meinungsverschiedenheiten abläuft.
Es gelang uns aber, Spannungen oder Missstimmungen auszusprechen
und zu bereden, so dass wir eigentlich immer zu einem
Konsens finden konnten. Ein Hauptproblem war wohl, dass
die Frau des Skippers, eine sehr "erdbetonte"
Person nur wegen ihrem Mann an Bord war und eigentlich
viel lieber zuhause bei ihren Kindern und Grosskindern
und ihrem Garten gewesen wäre, also das ganze mehr
oder weniger erlitt. Fazit für mich: ich will mein
Leben so gestalten, dass ich nichts Wesentliches tue,
das gegen mein Naturell und meine Neigungen verstösst.
Also das Leben in jedem Augenblick voll erleben und
nicht erdulden!
Bern, im Februar 2001 |
Heidi
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