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ERSTER REISEBERICHT Denia - Rio de Janeira Winter 2000/01
 

Rückblick auf den gut viermonatigen Segeltörn
Seit ein paar Tagen bin ich wieder in Bern, und Hans fliegt an diesem Wochenende ebenfalls in die Schweiz zurück, nachdem er die Yacht noch gewartet und geputzt hat, wie sich das für ordentliche Crewmitglieder gehört, die nicht überstürzt zurück in den Schuldienst abberufen werden!
Vielleicht interessiert dich, etwas von meinen Erfahrungen zu hören. Du kannst ja auch nur die Abschnitte lesen, die dich interessieren.

Das Schiff - die Crew - die Route
Wir starteten am 3. Oktober 2000 in Denia (Spanien) mit einer Ketsch "Amel Super Maramu" Baujahr 1990, 16m Länge, 2,10 m Tiefgang zu fünft (Eigner-Ehepaar in Pensionsalter, ein Bekannter von ihnen, der noch nie auf dem Meer segelte und wir zwei).
In kleinen Tagesetappen segelten wir uns die spanische Küste hinunter ein, dann nach Gibraltar, Cadiz, wo wir am 15. Okt. nach Madeira ausliefen. Mit recht regelmässigem NE-Passat (zwischen 10 bis 18 Knoten) erreichten wir am sechsten Tag Porto Santo, die kleine Nachbarinsel von Madeira. Mit stärkerem N- bis NE-Wind rauschten wir in 47 Stunden nach Lanzarote. Und nun liessen wir uns auf den Kanaren fast einen Monat Zeit (zum Teil freiwillig, zum Teil unfreiwillig wegen Reparaturen und Abwarten von Ersatzteilen) um alle Inseln zu besuchen. Vorallem die ausgedehnten Wanderungen auf der nordwestlichsten Insel La Palma und dem kleinen Gomera gefielen uns prima. Von einem sehr ruppigen "Hafen" auf Hierro, liefen wir am 20. November nach Dakar (Senegal) aus, mussten aber, als der Generator und der Motor nicht mehr gestartet werden konnten, um die Batterien zu laden, bei völliger Dunkelheit und Ausfall der elektronischen Geräte am dritten Tag nach Gomera zurück um die Motorenbatterie auszuwechseln. Diesmal klappte dann der Start nach Afrika und mit bis zu 32 Knoten NE-Passat rauschten wir mit guter Fahrt (zum Teil 8,5 Knoten) in knapp 6 Tagen die über 800 Seemeilen (1500 km) nach Dakar, wo wir um Mitternacht des 29. Novembers in den riesigen Industriehafen einfuhren und längseits eines rostigen Fischerbootes festmachten, auf dem wie aus dem Nichts gegen zwanzig pechschwarze Männer auftauchten. Etwas unheimlich! Anfangs Dezember lüfteten wir die Segel wieder und es ging 300 Seemeilen westwärts zu den 10 Inseln der Cap Verden. Bis anfangs Januar besuchten wir fast alle der sehr unterschiedlichen aber sehr beeindruckenden, imposanten, romantischen Inseln. Da hätte ichs noch lange ausgehalten! Aber am 7. Januar starteten wir (Wasser, Diesel und Proviant voll gebunkert) über den Atlantik nach Brasilien. Unsere Etmale (Tageswege) betrugen 109 bis 180 Seemeilen. Die Kalmen in Aequatornähe dauerten nicht lange und wir benutzten halt für ein paar Stunden den Motor. Ueber den Aequator schwamm ich (das liess ich mir nicht nehmen!) bei wenig Wind neben der Yacht, von oben mit Sekt begossen! Nach knapp 9 Tagen hatten wir die 1240 sm zurückgelegt und im Morgengrauen, bei warmem Wetter begrüsste uns der mächtige Pico der brasilianischen Insel Fernando de Noronha (Naturschutzgebiet). Weitere 260sm und 2 Tage trennten uns noch von dem brasilianischen Festland. Der brasilianischen Küste entlang begleitete uns ein meist angenehmer warmer Wind, zuerst aus Südost, später aus Nordost, so dass wir mit wenig Motorenstunden einige wunderbare Ankerplätze, Salvador (Bahia) und wieder nach sehr einladenden Ankerplätzen schliesslich am Freitagmorgen, den 9. Februar in der Morgendämmerung zwischen vielen kleinen Inseln unser Ziel Rio de Janeiro mit dem Zuckerhut im Dunst auftauchen sahen. Toll, mit dem Segelschiff in Rio anzukommen!

Das Leben an Bord
Da ich gerne "zigeunere" und es toll finde, wenn mein "Häuschen" mit Bett, kleiner Küche und Büchern mit mir reist, ist eine Segelyacht eigentlich ideal. Zudem liebe ich es auf dem weiten Meer zu sein, nichts als Wasser und den unendlichen Himmel um mich zu haben und nur die Geräusche der Wellen, des Windes und der Segel zu hören. Das erfüllt mich mit einem Gefühl der Freiheit und zugleich des Eingebundenseins in die Natur und ihre Elemente. Schade nur, dass zu meinem "Daheimsein-Gefühl" meine geliebte Katze Siria fehlte! Die Bewegungen des Schiffes, die Krängung (Schräglage), das Schwanken oder Rollen oder Stampfen konnten aber etwa lästig werden, vorallem wenn ich kochen wollte und eigentlich beide Hände zum Salat rüsten und Zwiebelschneiden brauchen sollte. Doch häufig musste ich mich mit einer Hand festhalten und mit den Füssen und Beinen kräftig stemmen, dass ich nicht fiel. Da wurde dann Kochen zu Schwerarbeit, und ich fragte mich dann etwa mal, wieso ich denn nicht gemütlich zu Hause sass und in aller Bequemlichkeit kochte. Jeder hatte wenig Raum und eigentlich wenig Privatsphäre. Ich verzog mich, wenn nicht allzuviel Krängung oder Schiffsbewegungen waren oft mit einem spannenden Buch aufs Vorschiff, legte mich in die Gangway und las (manchmal mit CD-Player und Kopfhörer) stundenlang. Alle 6 Stunden kam ich wieder für 2 Stunden auf die Wache: steuern (Windsteueranlage war kapputt oder funktionierte schlecht) und Ausguck halten wegen Frachtern und Fischerbooten, sowie Position und Route kontrollieren. Abwechslung und Zerstreuung gabs wenig und man konnte bei Spannungen nicht flüchten! Der Wasserverbrauch war rigoros eingeschränkt: wir brauchten um die 100 (!) Liter in der Woche, zu fünft und mit regelmässigem Kochen. Da hiess es sparen! Geduscht haben wir auf offener See stets mit dem Eimer mit Meerwasser und speziellem Salzwasserduschmittel. Das Geschirr wurde wenn möglich mit Salzwasser gespült, das WC funktionierte sowieso mit Salzwasserpumpe. Kleider und Bettwäsche waschen war nur in einem Hafen möglich.

Die schönsten und intensivsten Erfahrungen
Ich freute mich meist auf die nächtlichen Wachen. Während die andern schliefen, war ich ganz allein im Cockpit, den wolkenlosen Himmel mit den unendlich vielen Sternen, Jupiter und Saturn und der Milchstrasse über mir, und oft suchte ich am Himmel die neu dazugelernten Sternbilder. Jede Nacht begleiteten sie mich wieder, wie vertraute, schweigsame Freunde. Welch eine Freude, als dann vor dem Ueberqueren des Aequators eines Nachts, als ich um 2 Uhr auf die Wache ging, das Kreuz des Südens backbords vor mir stand. Eines der schönsten Erlebnisse ist stets das Auftauchen von Delphinen, die dann für eine gewisse Zeit das Boot begleiten. Eines Tages umgab uns eine riesige Delphinschule, es waren bestimmt einige Hundert Tiere, die sprangen und spielten einige Zeit rings um unser Boot, als hätten sie Spass daran, uns zu unterhalten. Sie kamen so nahe an den Bug, dass ich sie hätte berühren können. Am gleichen Tag sahen wir etwa 200m vom Schiff weg einen Wal blasen. Er zeigte uns seine Flunke und verschwand dann unter Wasser. Auf dem Meer träume ich meist sehr intensiv. So hörte ich eines Nachts im Traum, als das Meer recht wild war und viele grosse und kleine Wellen gegen unsere Bugkabinenwand schlugen das Meeresorchester: eine überwältigende Musik klang in meinen Ohren von einem riesigen Orchester und ich spürte und hörte wie perfekt und überwältigend diese Symphonie war, beeindruckender und göttlicher als alles, was ich je gehört hatte. Und ich wünschte, dass diese Musik nicht aufhörte oder ich sie doch mindestens behalten könnte! Ich genoss es, dass wir eigentlich immer schönes Wetter hatten, ab und zu abwechslungsreiche Bewölkung, aber kaum mal Regen und schon gar keinen Sturm und ich vorallem den letzten Monat ausschliesslich im Bikini verbringen konnte. Wie ungewohnt waren da Schuhe und lange Hosen wieder! An Land hatte ich besonders schöne Begegnungen auf den capverdischen Inseln. Die Menschen (meistens Mischlinge: Schwarze/Portugiesen) sind sehr arm aber beglückend fröhlich, charmant und hilfsbereit. In den Sammeltaxis bekam ich etwa mal ein süsses kleines Mädchen mit vielen Schwänzchen auf dem Kopf zum "goume", das mich dann anlächelte und mit meinem Fingerring oder meiner Uhr spielte. Die Kinder sind ebenso unkompliziert wie die Erwachsenen. Häufig werden sie auf den Schoss von irgendeiner Frau gesetzt. Sie schreien nie, auch nicht nach der Mutter! Einmal sassen Hans und ich in einem einfachen Restaurant beim Nachtessen. Am Nachbartisch war eine "mehr-bessere" capverdische Familie mit zwei Buben von etwa 5 und 7 Jahren. Als die Familie das Restaurant verliess, blieb der ältere Knabe noch einen Moment da, rannte dann zu mir, umarmte mich ganz fest und drückte mir einen Kuss auf die Backe. Dann stürzte er zu Hans und umarmte und küsste auch ihn. Darauf verschwand er strahlend und stolz.

Die schwierigeren Situationen (und die Lehren daraus)
Da unser Schiff mit viel "Luxus" und Elektronik ausgerüstet war, die zum Teil nicht besonders gewartet worden waren, ging auch einiges kaputt was mit Umtrieben (Warten auf Ersatzteile und zum Teil hohen Kosten ) verbunden war. So stieg der Generator aus und obschon Hans und zwei Fachleute fast eine Woche unten im Maschinenraum untersuchten, konnte der Defekt nicht gefunden werden. Ferner gingen die Windsteuerung, der Alternator des Motors, der Wetterfax, die elektrische Ankerwinsch und natürlich Segel kaputt, neben anderem. Lehre daraus: möglichst unabhängig von Motor und Generator (also Strom) und mit möglichst wenig "Automatik" und Raffinesse segeln. Am Schiff muss halt immer ein bisschen "gebäschelet" werden, bevor ein grösserer Schaden entsteht. Es ist klar, dass eine längere Segelreise mit fünf (zum Teil sehr verschiedenen) Menschen auf kleinem Raum nicht ohne Spannungen und Meinungsverschiedenheiten abläuft. Es gelang uns aber, Spannungen oder Missstimmungen auszusprechen und zu bereden, so dass wir eigentlich immer zu einem Konsens finden konnten. Ein Hauptproblem war wohl, dass die Frau des Skippers, eine sehr "erdbetonte" Person nur wegen ihrem Mann an Bord war und eigentlich viel lieber zuhause bei ihren Kindern und Grosskindern und ihrem Garten gewesen wäre, also das ganze mehr oder weniger erlitt. Fazit für mich: ich will mein Leben so gestalten, dass ich nichts Wesentliches tue, das gegen mein Naturell und meine Neigungen verstösst. Also das Leben in jedem Augenblick voll erleben und nicht erdulden!

Bern, im Februar 2001
Heidi

 

 
     
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